Ich wollte ja Sonntag schon nach Polen fahren, doch dann machte mir der Regen einen Strich durch die Rechnung und ich schwenkte kurzerhand und völlig durchweicht bis auf die Knochen auf einen Campingplatz im Wald an einem See und bezog eine Hütte um wieder zu trocknen. Ich fragte die Frau an der Rezeption zunächst, welches Land es ist, denn da war Kilometerweit nichts gewesen außer Hügel, Wiesen, Wald und Störche und ich dachte es sei längst Polen. Sie sagte, die Grenze sei noch 30km weg. Das wunderte mich etwas, doch weil ich noch keine Zloty hatte, war ich ganz froh. Also erst Montag rüberfahren.
Montag schien vor allem wieder die Sonne und weiter ging es. Durch Wald mit ordentlich Hügeln, das waren schon schwedische Zustände, dann durch Wiesen und Felder. Plötzlich fiel mir auf einem Werbeschild auf einem Acker die Endung „pl“ auf bei der Webadresse. Kurz darauf andere Straßenschilder, dann die ganzen Fahrradwege Hinweise. Das war dann alles eindeutig. Was ich nicht gesehen habe war irgendeine Grenze. Und dieses grenzenlose Europa, das ist einfach wunderbar und wir können uns vielleicht öfters daran erinnern, was wir hier in Europa erreicht haben. Welch ein Geschenk.
Sehr schnell tauchten auch Radweg Schilder zur Green Velo Route auf. Das ist ein Netzwerk aus >1800km Radwegen im östlichen Polen. Ziemlich schnell war klar, wie super es ist. Meistens auf Radwegen oder ruhigeren Nebenstraßen. Gelegentlich auch mal Forstwege. Perfekt ausgeschildert. In regelmäßigen Abständen gibt es MOR, so nennen sie die Rastplätze mit Sitz- und Abstellmöglichkeiten, Unterstand, Hinweistafeln und Mülleimer. Gelegentlich auch mal ein WC. Green Velo verbindet auch viele Nationalparks oder regionale Parks und so mache ich gerade Nationalpark Hopping. Green Velo ist wirklich richtig toll und macht Spaß.
Richtig toll finde ich auch die polnische Gastfreundschaft. Ich habe das früher schon erlebt und es ist wirklich besonders. Vorgestern kam ich zB an einem Biwak Platz an, es war klein und sehr einfach, hatte aber parkähnlichen Rasen, WC, Dusche und ein Waschbecken. Es gab auch ein paar Picknick Bänke, einen Unterstand, Feuerstelle und Aussicht auf den direkt angrenzenden Biebrza Nationalpark. Eine Telefonnummer war angegeben und als ich gerade anrufen wollte, kam der Herr aus dem gegenüber liegenden Haus. Interessanter Weise hatte er bereits sein Telefon gezückt, obgleich ich noch gar nicht durchgeklingelt hatte. Dann begann die Führung über den Platz. Er sprach kein Englisch, dafür hatte er sein Telefon mit einer Übersetzungsapp. Er erklärte mir wirklich alles, in einer ausgesprochenen Geduld und Freundlichkeit, Absatz für Absatz konnte ich alles nachlesen. Er passte auf, dass ich nicht stolperte und erklärte und zeigte mir diesen winzigen Platz, wo ein „30 Zloty, du findest das dich schon zurecht“ es auch getan hätte. Das war schön.
Tags darauf fuhr ich 30km geradeaus durch den Biebrza Nationalpark. Er hat eine beeindruckende Größe und Vielfalt in der Vegetation. Kiefernwald, Mischwald, Sümpfe. Elche sah ich immer noch nicht, wohl aber einen Marderhund, der fraß gemütlich etwas am Wegesrand. Es war eine wundervolle Strecke und vermutlich hätte ich länger verweilen sollen.
An dem Nachmittag fuhr ich jedoch weiter zum nächsten Nationalpark, sehr viel kleiner und wieder konnte ich direkt am Park campen auf dem Gelände der Nationalpark Verwaltung.
Doch mein eigentliches Ziel war es noch nicht, bis ich dort bin dauert es noch ein paar Tage.
Heute waren es wieder 35 Grad und leider kein Wald mehr um mich herum. Hinzu kam Gegenwind, das geht anders schöner. Bialystok hat mir gut gefallen, es gibt dort viele Cafés und Restaurants mit Terrasse, es ist beschaulich und einfach nett.
Nach Bialystok entdeckte ich dann leider durch seltsames Klickern am Hinterrad das Andenken der litauischen Schotterpiste. Ich hielt an und dachte erst, wie kommt denn dieser verbogene Draht um die Achse? Es war eine gebrochene Speiche. Zum Glück weiß ich ja jetzt, wie man mit Google Maps sucht, also flugs Fahrradwerkstatt durch einen Übersetzer geschickt. Komoot war leider überhaupt keine Hilfe. Aber siehe da: 1,6km zurück war eine Werkstatt. Nix wie hin. Der Laden gehörte ein paar jungen Leuten und es war für den Techniker eine Selbstverständlichkeit, sich sofort um mein kaputtes Fahrrad zu kümmern. Er stellte mir einen Liegestuhl in den Schatten, gab mir Wasser mit Eiswürfeln für meine Trinkflasche und machte sich an die Arbeit. Er fand eine weitere kaputte Speiche, reparierte alles sehr schnell, klebte mir ungefragt zwei weitere Ersatzspeichen an den Rahmen, kassierte 30 Zloty (also keine 7,5€) und weigerte sich Trinkgeld zu nehmen. Sie hatten noch nicht mal eine Kaffeekasse. Unfassbar toll.
Welch ein Service, welch ein Glück für mich. Irgendwer hält da seine schützende Hand über mich.
Der Speichenbruch muss durch die Steine auf der Schotterpiste letzten Sonnabend gekommen sein, er meinte, es sei schon etwas her. Das war vor ungefähr 300km. Hoffen wir mal, das die Felge keinen Schaden genommen hat und die Bespeichung sich nicht verzogen hat.
Es war der letzte vernünftige Moment, dass mir das aufgefallen ist. Die nächsten Etappen gehen wieder durch den Wald, da ist nicht viel außer gelegentlich mal ein Sklep.
Glück gehabt!
Kommentar verfassen