Entlang der Memel, um das Kaliningrader Gebiet drum herum und immer noch ein Stückchen weiter

Nun bin ich seit acht Wochen am Reisen und habe immer noch kein Heimweh. Im Gegenteil: die Welt ist immer noch wunderschön und groß und vielleicht auch etwas zu groß und schön für die Zeit, die mir geschenkt ist. Gleichzeitig bin ich jetzt schon weiter gekommen als ursprünglich gedacht und mit Erlebnissen und Begegnungen beschenkt.

Trotzdem ist es nicht immer leicht. Die letzten Tage bin ich, vom Memel Delta kommend, immer entlang der EU Außengrenze gefahren – parallel zur Grenze zum Kaliningrader Gebiet. Streng bewacht auf beiden Seiten, man kann die Wege der Grenzpatrouillen deutlich erkennen von den Aussichtspunkten. Jedes Mal der Gedanke: was für ein unnatürliches Vorhaben, Dinge und Gebiete abzugrenzen. Die Wolken und der Regen ziehen darüber hinweg, Störche und alle anderen Vögel und Tiere sowieso und die Menschen auf beiden Seiten, die wollen alle nur ein friedliches Leben. Wie absurd auch, diese Bastion dort inmitten der EU Länder. Was wäre eigentlich gewesen, wenn Genscher damals das Angebot Gorbatschows angenommen hätte 1989/1990? Hätte man das Gebiet nicht vielleicht unter eine polnisch/deutsche Selbstverwaltung stellen können, ähnlich dem Vorbild der Ålands? Alles Gedankenspiele.

Überhaupt Störche, mal etwas schönes: heute hatte ich einen Abschnitt, da waren alle 300m Storchen Horste auf ein paar Kilometer Länge; inzwischen sind die Jungvögel groß und es ist immer wirklich voll da oben. Und das spricht natürlich auch für einen Artenreichtum in ihrer gesamten Nahrungskette. Quasi von der Blüte und den Insekten hinauf bis zum Storch.
Verwundert bin ich, wie schnell die Zeit verrinnt, inzwischen hängen die Apfelbäume voller Obst und mir ist es, als haben sie gestern in Schweden erst geblüht. Die Getreidefelder beginnen hellgelb zu leuchten, gestern habe ich den ersten Drescher gesehen.

Die Wege, die mich hier auf litauischer Seite um das Kaliningrader Gebiet herum führen sind, nun, ich finde kein freundliches Wort dafür, sie sind herausfordernd. Im ersten Abschnitt waren es 40km Bundesstraße, doch es war nicht schlimm, denn es fährt dort kaum jemand. Es gab dort an manchen Stellen jedoch Löcher in der Straße, die waren tief, da hätte ein Deckel darüber gehört. Gestern hatte ich 23km Schotterpiste, dafür brauchte ich 2,5 Stunden und einige Male konnte ich das Rad im letzten Moment abfangen, so bin ich ein bisschen stolz nicht gestürzt zu sein. Es war oft kurz davor. Das war sicherlich die schlimmste Straße, die ich je gefahren bin. Der schlimmste Radweg bleibt immer noch damals der Abstieg vom Fernpass, aber den konnte man auch nicht fahren, der wurde geholpert geschoben und hat damals eine unkaputtbare Packtasche zerrissen. Heute hatte ich 3km Schotterpiste, die war so weich und tief und voller großer Steine, die bin ich komplett geschoben und das war schon sehr schwierig, weil das Rad immer wegrutschte und die Füße auch. Eine Stunde brauchte es und die meisten Autos rasen vorbei, das die Steine fliegen und alles staubt. Zum Glück schiebe ich auch mit Helm. Zwei habe ich herunter gedrosselt bekommen, allen anderen war es egal, ob ich mir das T-Shirt vor Mund und Nase hielt. So macht es keinen Spaß und ich bin froh, wenn ich morgen nach Polen komme. Die Green Velo Route dort erscheint mir ein bisschen wie das gelobte Land. Mal sehen, wie es dann wirklich ist. Und immer noch: 1000 Ideen, was ich am liebsten noch fahren würde.

Es gab noch ein paar besondere Begegnungen mit Dienstleistern. Von den Fähren hatte ich bereits berichtet, interessant sind auch die Touristenbüros. In Nida wollte ich dort Erkundigungen einziehen und die Antwort war: weiß ich nicht. Es scheint jeder seins zu machen und dann ist es auch genug. Dort fragte ich auch nach einem Friseur, denn die Wolle sollte runter, dann wird auch das Handtuch nicht mehr so nass beim abtrocknen. Ich wurde wahlweise in ein Hotel oder ins Krankenhaus geschickt und beides hat nicht funktioniert. Später lernte ich, dass man bei Google Maps in der Landessprache suchen muss, so hat das mit dem Friseur zumindest in Silute geklappt. Claudia von Open Hair, falls du das liest: du bekommst das wieder hin 😉. Es ist kurz geworden und mir gefällt es.
Interessant war auch das Erlebnis in der Post. Ein Paket mit sehr warmer Radelkleidung sollte auf die Reise nach Hause gehen und ich dachte, ich sei besonders schlau, wenn ich es an meine liebe Nachbarin (danke, Silke!!!) schicke und als Absender meine Heimatadresse angebe. Das war eine ziemliche Auseinandersetzung und man hält mich dort in der Filiale jetzt für ein bisschen plemplem. Es ist jedenfalls „forbidden by law“ es so zu machen und ich hoffe, die Frau am Schalter hat alles richtig gemacht damit es ankommt. Ansonsten wird es in die Postfiliale Nida zurückgeschickt. Da wird es aber niemand abholen.

Und natürlich gab es auch schöne Begegnungen. Hier ist eine: Falls du, liebe Leserin, einmal zum litauischen Aussichtspunkt Rambynas fährst, kehre doch in das nigelnagelneue Café ein, 800m vom Aussichtspunkt entfernt. Es gibt auch Zimmer und bald eine Sauna. Ich war die erste Gästin, die sie dort hatte und die Eigentümerin sprüht nur so vor Energie, Ideen und Hilfsbereitschaft. Ich bin dort ein bisschen umsorgt worden und es war wirklich allerliebst und hübsch. Wir haben in der Sprache „einzelne englische Worte mit Händen und Füßen und Geräuschen“ kommuniziert und es klappte sehr gut. Es ist ein ruhiger friedlicher Ort. Das war auch schön.


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