Deshalb bin ich an die Maas gefahren: ich nahm an, es sei flaches Gelände, schön gemütlich. Nun, der Traum ist noch nicht aus, er darf weiter geträumt werden, denn die Wirklichkeit zeigt etwas anderes. Oder, so erklärten es mir zwei niederländische Radler unabhängig voneinander: es handelt sich um das tektonische Wunder Frankreichs. Zwischen Landesgrenze zu Belgien und den Pyrenäen geht es immer bergauf, unabhängig davon wo man sich befindet und in welche Richtung man fährt.
Ganz so schlimm ist es nicht, aber bisher waren es meistens so 500-600 Meter bergauf und entsprechend Meter bergab pro Tag mit einem leichten Plus auf der bergab Seite. Das Höhenprofil ist eine sich sehr leicht neigende krickelkrackel Linie mit dicken Backenzähnen dazwischen.
Ich bin in den Vogesen und heute war Sonne, kaum Wind und endlich kein Regen. Es gab aber die letzten zwei Tage den besonderen technischen Nervenkitzel, dass gestern erst die linke Pedale wie verrückt knackte und heute quietschte sie, dafür knackte die rechte. Heute am Pfingstmontag ist Feiertag, morgen haben alle wieder offen und hier in Verdun habe ich mir schon eine Werkstatt herausgesucht, wo ich vor Tourbeginn hinfahren werde. Sollen sie mir dort neue Pedale anschrauben, dann kann ich entspannter unterwegs sein.
Denn es ist hier viel Gegend und zwar sehr sanft gewellte Hügellandschaft mit Feldern, Wald und Wiesen mit Hüft hohem Gras, dazwischen gestreut viele kleine Dörfer. Sehr hübsch alles. In den Dörfern ist eher nichts los, meist gibt es eine Kirche, manchmal eine Bank und noch seltener eine Käserei.
Hier in Verdun gibt es natürlich jede Menge Denkmäler und ein Museum zur Zeit 1914-1918. Ich habe es mir nicht angesehen, was ich jedoch gestern getan habe, ist, einen Blick in die Zeitung zu werfen und ich war entsetzt, was da in der Welt los ist. Und das bringt mich dahin darüber nachzudenken, was diese zwei Länder, Frankreich und Deutschland, in den letzten 80 Jahren gemeinsam erreicht haben. Nach vielen vielen Jahrhunderten erbitterter Feindschaft wurde nicht nur ein Frieden geschlossen, nein, weit mehr, es entstand eine Freundschaft.
Frieden schließt man übrigens nicht mit Freunden sondern mit Feinden. Ohne Waffen.
Und dann denke ich an diesen ganzen Rüstungsirrsinn, lese etwas von noch zusätzlichen 60.000 Soldaten, lese diese brachiale und verbal aufgerüstete Sprache in den Zeitungen und dann wird mir übel und ich will Stopp schreien, das geht so nicht, das ist der falsche Weg.
Ich habe Angst.
Und vor allem denke ich, dass ein Land, welches es geschafft hat Freundschaft zu schließen mit einem ehemaligen jahrhunderte alten Erzfeind, welches eine friedliche Revolution 1989 geschafft hat, das dieses Land doch eigentlich sich dazu verpflichtet fühlen muss, sein Knowhow und seine Kompetenz der diplomatischen gewaltfreien Wege anzuwenden auf internationaler Ebene?
Es macht mich fassungslos, nichts davon zu lesen, es entsetzt mich, dass das Gegenteil der Fall ist und ich bin hilflos.
Und mir wird auch klar, dass es weitergehen muss für mich mit den Ideen, die während und nach unserem Friedenskongress bei mir entstanden sind.
Jetzt erst recht.
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