Die Berge, der Regen und die Leichtigkeit

Die eigenen Grenzen erkennen und akzeptieren, scheint gerade ein Thema zu sein bei mir. Nun gab es dazu wieder Lektionen und ich wünschte, ich wäre etwas schneller mit lernen. Aber der Reihe nach.
St. Malo entpuppte sich als alte Festungsstadt und inzwischen kommen Touristen aus der ganzen Welt. Mich beeindruckte vor allem das türkisfarbene Wasser und ansonsten ergriff ich schnell die Flucht. Städte mit vielen Leuten sind einfach nicht so meins. Dann, nach ein paar letzten Hügeln ging der Weg direkt am Meer schön flach bis Mt Saint Michel. Ein beeindruckender Klotz da draußen garniert mit dem Kloster als Zipfel. Die letzten 4km fuhr ich direkt darauf zu.
Ich hatte zu dem Zeitpunkt schon genug von den Hügeln, es war mir nur noch nicht so klar. Zu dem Zeitpunkt dachte ich noch, ein Pausetag würde reichen um meine Leichtigkeit wieder zu erlangen.
Der Dienstag startete mit Sonnenschein und Rückenwind. Die ersten 30km auf perfektem Radweg und flach. Der Weg war den ganzen Tag über eine stillgelegte Bahntrasse und das versprach zumindest eine tretbare Steigung und so war es dann auch, vorne reichte der mittlere Zahnkranz, ich musste nur 3x schieben, das war ok. In einem Ort war Wochenmarkt, es gab Käse und Obst und ich stellte fest, dass ich es nicht schaffen werde mich durch alle französischen Käsesorten zu futtern. Es sind zu viele.
Der Weg war wundervoll still, Bäume links und rechts, offene Blicke auf die Landschaft gab es auch. Es folgten dann jedoch 40km bergauf. Am Stück. Es mäanderte so in Kurven, da war auch mal Gegenwind.
Das hat mich geschafft. Irgendwann war klar: mit der Aussicht auf 3 Tage Regen und 2 Wochen solche Hügel wird die Leichtigkeit und Freude nicht zurückkehren. Eine Entscheidung war zu treffen.
In Sourdeval sollte es einen Campingplatz geben, das versprach komoot und Google, den peilte ich an. Im Ort noch einkaufen, dann dorthin. Inzwischen war starker kalter Wind und Wolken. Am Platz fielen mir zunächst die ganzen kleinen Zelte auf dem Fußballplatz auf und viele Autos mit Sportgeräte Anhängern. Sollte das etwas mit diesen Cross Country Läufern zu tun haben, die mir unterwegs ständig vors Rad gesprungen und gefahren waren? Ja, hatte es.
Ich sprach eine Frau an wo die Rezeption sei. No reception war die Antwort, Camping closed. Das war bei dem Betrieb dort schwer zu glauben. Sie sagte was von Jugendmeisterschaften und ich muss gehen. Es war 17.15h, meinen Recherchen zufolge die Tage zuvor waren Hotels >200€ und weitere Campingplätze nicht vorhanden, erst in 25km oder so. Sie sagte mir dann in französisch, deutsch und englisch, dass sie verantwortlich ist und außerdem das Rathaus geschlossen hat und ich deshalb gehen muss.
Ich probierte es mit meiner Erschöpfung zu argumentieren, dass ich keine Kraft mehr habe, dass es zu viel war. Die Frau hatte vielleicht einen Stein wo andere ihr Herz haben. Nichts zu machen. Ich war am verzweifeln. Auch mein Zeigen auf winzige Rasenflächen, wo kein Auto parken kann, wies sie ab. Ich bat, bettelte, flehte. Steine wären weich geworden. Diese Frau nicht.
Dann setzte ich mich auf den Rand der Sandkiste und wartete ab. Sie empörte sich dann bei anderen Leuten über mich. Das hat aber nur bedingt funktioniert, vielleicht war einer von ihnen auch mal Radreisender gewesen. Er jedenfalls schlug mir ein paar Plätze vor, fragte mich, ob ich auch ein Fahrradschloss hätte und ich bedankte mich sehr.
Puh.
2 Stunden später kam eine andere Frau, trug mich in ein dickes Buch ein, kassierte 6,22€ Gebühren. Hatte das Rathaus wohl doch noch nicht geschlossen, das Rathaus kam vorbei.
Duschen fiel den Abend aus. Es gab genau eine Frauendusche und die Mädels standen Schlange, vielleicht bis Mitternacht.
Meine Entscheidung habe ich konkretisiert, nach dem Kochen fing es an zu regnen und ich verkroch mich.
Mich hat diese ganze Geschichte ziemlich gefordert und Leichtigkeit war immer noch nicht. Insgesamt war das alles zu viel. Freudlos soll es nicht sein.
Heute bin ich noch mal 150m bergauf auf 21km, das war ok. Nach Vire ging es, da war der nächste Bahnhof. Jetzt gerade bin ich in Paris umgestiegen, man gurkt dafür ja 9km durch die Stadt von einem Bahnhof zum nächsten, und sitze nun im Zug nach Langres. Dort erwarten mich nachher noch 140 Höhenmeter auf 3km. Dort ist die Maasquelle in der Nähe und dann geht es entlang der Eurovelo 19, also dem Maas Radweg. Das Wetter soll etwas besser sein dort, es geht mit ein paar Hubbeln gemäßigt flach. Vielleicht liegt es ja an meinem Alter, vielleicht bin ich nun alt genug für Fluss Radtouren. Hoffentlich wird es besser für mich, ansonsten bleiben immer noch Holland oder Dänemark für Leichtigkeit auf dem Fahrrad.


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