Estland war toll zu fahren. Obgleich es auch einen sehr kräftezehrenden Tag mit schlimmen böigen Gegenwind gab und insgesamt einige Liter Regen fielen, so war das sehr viel flachere Gelände, der viele Wald, die Nationalparks und die RMK Naturcamping Plätze großartig. Das hat viel Spaß gemacht.
In Estland fuhr ich bis Valga, die Grenzstadt zu Litauen. In Valga selbst will man noch nicht einmal tot überm Zaun hängen, ich habe dort viel herumgewartet auf den Zug. Es gibt ein riesiges Bahnhofsgebäude, das bestimmt mal sehr prunkvoll war. Heute ist es mit 3 Bänken bestückt, dem Abfahrtsplan und sehr viel Luft. Mein Ziel war Riga, Hauptstadt Lettlands. Internationale Zugverbindungen tauchen im Abfahrtsplan nicht auf. Dazu war ein extra Zettel, ach übrigens, 2x am Tag fährt hier auch ein Zug nach Riga, Bahnsteig 2. Der betreffende Zug schien schon etliche Jahre alt. Eine steile Treppe führte 1,5m hoch in den Wagon. Abpacken, Hochschleppen, zuletzt das Rad, die Schaffnerin war sehr hilfsbereit, Fahrrad hochkant einhängen. Die Fenster ließen sich noch öffnen, es gab ein Klo am anderen Ende des Zuges und wenn man von Wagon zu Wagon ging, musste man immer 2 dicke Stahltüren öffnen, dazwischen über eine hohe Schwelle steigen und unter sich sah man die Gleise. So alt war der Zug. Kritisch wurde es erst beim Aussteigen, da wäre ich um ein Haar mitsamt Rad aus dem Zug auf den Bahnsteig gestürzt. Eine andere Passagierin kam mir im letzten Moment zur Hilfe.
Danach hatte ich sehr wackelige Knie.
Ich war in Riga. Viel Gutes und schönes hatte ich vorher über die Stadt gehört. Sie ist auf der Weltkulturerbe Liste wegen der Jugendstilhäuser. Die sind auch beeindruckend.
Ich fand Riga fürchterlich. Es ist eine Autostadt, es gibt noch nicht einmal eine richtige Fußgängerzone in der Altstadt. Überall Autos, unentwegt und ohne Ende. Fußgänger, Radfahrer, Rollerfahrer und gelegentlich auch Vespa Fahrer knubbeln sich auf dem Fuß- und Radweg und jeder kommt jedem in die Quere und will nicht von den Autos platt gefahren werden. Ja, und es gibt Schlaglöcher, sehr sehr viele Schlaglöcher und kaputte Wege. Das ist keine Freude.
Dann begann meine Planerei, wie es von dort weitergehen wird für mich. Der ursprüngliche Plan war, mit einem Zug ins südliche Lettland zu fahren und im östlichen Litauen Richtung Polen. Es gab drei gute Gründe, dieses nicht mehr so zu machen: die Züge, die Fahrt an den Bundesstraßen, die vielen steilen Hügel und Berge auf der Strecke. In Lettland wollte ich aber auch nicht fahren wegen der Bundesstraßen, der knapp überholen den LKW und der groben Schotterpisten dazwischen. Also doch irgendwie nach Klaipeda kommen, von dort aus über die Kurische Nehrung und entlang der Grenze zum Kaliningrader Gebiet an die polnische Grenze.
Mit dem Zugverkehr ist es schwierig zwischen den baltischen Ländern. Doch es gibt Busse. Busfahren mit Rad ist neu für mich, das hatte ich so noch nicht. Das war aufregend. Also habe ich mich einen Vormittag ans Telefon geklemmt und vor das Internet gesetzt und recherchiert. Nicht jede Person, mit der ich sprach, war hilfreich und wenig Auskünfte waren konsistent; da sind ja auch immer noch die unterschiedlichen Sprachen und Übersetzungen. Fest steht: von Riga nach Klaipeda fahren nur Minibusse und die nehmen keine Räder mit. Aber nach Vilnius (im östlichen Litauen) komme ich mit dem Bus hin. Von dort gibt es dann einen Zug nach Klaipeda, also wieder im Westen.
Natürlich war ich heute Morgen viel zu früh am Busbahnhof und sehr aufgeregt. Zwar hatte ich ein Fahrradticket, jedoch hatte ich auch die Vorschriften für Menge und Volumen von Gepäck gelesen. Das passte nicht so gut auf mich und so war die Spannung groß, was passieren würde. Was passierte war folgendes: schwuppdiwupp ein Fingerschnipps waren Taschen und Rad im Bus. So easy. Jetzt sehe ich die Straßen vom Bus aus und bin so so so froh die nicht radeln zu müssen. Das wäre sonst die Hölle. Die Busfahrt dauert 4 3/4 Stunden.
In Vilnius gibt es dann eine Camping Übernachtung und morgen Vormittag den Zug nach Klaipeda. Wie dort die Verhältnisse sind und ob es womöglich sogar Niederflurwagen gibt, sehe ich morgen. Insgesamt scheint mir diese Art der Fortbewegung jedoch etwas stressiger als Radfahren.
Ach ja, natürlich gibt es auch etwas schönes über Riga: es gibt sehr viele kleine Pavillons mit Konditoreien an den Ecken der Parks. Sehr lecker! Und Campinggas gab es dort auch.
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